Zahlreiche Mitglieder des Vereins der Freunde und Förderer des Historischen Museums Schloss Philippsruhe konnten sich am 18. Juli über erste Ergebnisse der Provenienzforschung in den Sammlungsbeständen des Schlosses informieren. Grundlage hierfür ist die Washingtoner Erklärung von 1998, in der 44 Nationen geregelt haben, wie mit während der Zeit von 1933 bis 1945 von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Kuturgütern umzugehen ist. Die Provenienzforscherin Dr. Jennifer Chrost vom Museumsverband Hessen war mit einem kleinen Team im März und April im Schloss den Anzeichen für Raubgut aus der NS-Zeit auf der Spur. Den Vereinsmitgliedern berichtete sie von diesem stichprobenartigen „Erstcheck“, der sich nicht nur auf Gemälde, sondern auch auf andere Kunstgegenstände und Gebrauchsgüter in der historischen Sammlung erstreckte. Um herauszufinden, was möglicherweise unrechtmäßig erworben wurde, lautet die Grundfrage: „Wem hat etwas wann gehört?“ Findet man den ursprünglichen Besitzer, so ist weiter zu fragen: „Wurde das Objekt unter Wert verkauf? Hing es mit einer Haushaltsauflösung zusammen?“ Hilfreich dafür sind einerseits die Eingangsbücher des Hanauer Geschichtsvereins, dem ein großer Teil der Museumsbestände gehört, und der Stadt Hanau, in deren Besitz sich das Schloss befindet. Weiterhin sind die Erwerbsbücher von Händlern und Auktionatoren aus dem Rhein-Main-Gebiet daraufhin zu befragen, was vor allem in den Jahren 1938/39 dort aufgenommen wurde.
In einer Kabinettsausstellung im Schloss sind einige beim „Erstcheck“ aufgefallene Exemplare der Sammlung zu sehen, die möglicherweise während der NS-Zeit ihren Eigentümern widerrechtlich entwendet wurden. Darunter zwei Zeichnungen des Künstlers Wilhelm Amandus Beer (1837-1907), die, wie eine Teilnehmerin der Führung Frau Dr. Chrost ergänzen konnte, zeitweilig im heutigen Olof Palme-Haus gehangen haben. Weiterhin einige jüdische Kultobjekte wie ein silbernes Thoraschild mit Löwen der Gemeinde Bockenheim von 1864, die seinerzeit zum Großrabbinat Hanau gehörte. Zu diesem ist bei der weiteren Forschung zu fragen: „Wann wurde das Thoraschild von der Thorarolle abgelöst? War es zwischendurch in Privatbesitz und fiel dadurch unter die Silberabgabe bzw. Edelmetallabgabe, zu der jüdische Bürger 1939/40 verpflichtet waren? Dabei mussten sie diese Wertgegenstände den öffentlichen Pfandleihen bringen und erhielten dafür eine geringfügige Entschädigung, die sie für ihre Flucht aus Deutschland einsetzen mussten. Da in der NS-Zeit von offiziellen Stellen meist penibel Buch geführt wurde, ist die Recherche nach den Vorvorbesitzern von Kunstgegenständen dann nicht schwer, wenn diese Unterlagen nicht selbst Opfer der zahllosen Brände im Zweiten Weltkrieg wurden. Doch danach geht es darum herauszufinden, wer denn heute rechtmäßiger Besitzer eines Objekts wäre, um dieses dann gegebenenfalls zurückgeben zu können. Viele der ursprünglichen Besitzer wurden in den Konzentrationslagern ermordet, haben entweder keine direkten Erben oder diese sind über den ganzen Erdball verteilt. In manchen Fällen ist es möglich, über die Jewish Claims Conference Verbindungen herzustellen. Im Verlauf der interessanten Diskussion mit Frau Dr. Chrost wies der Vorsitzende des Hanauer Geschichtsvereins Michael Sprenger darauf hin, dass sich die Provenienzforschung zwar auf die Zeit von 1933 bis 1945 konzentriere, aber mit Blick auf die neuen Bundesländer auch die Zeit von 1945 bis 1990 ins Auge zu nehmen habe, als in der sowjetisch besetzten Zone und späteren DDR auch Zwangsenteignungen vorgenommen wurden. Am Ende der Führung äußerte sich manch einer aus der Teilnehmergruppe dahingehend, dass diese Arbeit „ja spannend wie ein Krimi“ sei.