Bei den „Städel Frauen“ am 22.08.2024

„Städel / Frauen. Künstlerinnen zwischen Frankfurt und Paris um 1900“

Hinter diesem unspektakulären Titel verbirgt sich eine kunsthistorisch wie auch gesellschaftspolitisch hoch interessante Ausstellung. Das konnte eine Besuchergruppe der Hanauer Freunde des Museums Schloss Philippsruhe bei einem Besuch im Frankfurter Städelmuseum erfahren. Und zwar sowohl aus dem Munde der sehr fachkundigen Führerin Julia Bender-Helfenstein als auch mit eigenen Augen, die im Verlauf der Stunde immer wacher wurden. Mit etwa 80 Gemälden und Skulpturen von insgesamt 26 bildenden Künstlerinnen macht die Ausstellung jene Jahrzehnte um 1900 lebendig, in denen begabte junge Frauen darum kämpfen mussten, künstlerische Professionalität zu erlangen, was in einer männlich dominierten Kunstszene äußerst schwierig war. Zwar hatte Johann Friedrich Städel in seinem Testament für das von ihm gestiftete Kunstinstitut bestimmt, dass auch Frauen dort künstlerisch ausgebildet werden sollten, was schon sensationell war. Doch realisiert wurde es erst 1869, 52 Jahre nach der Gründung, und da nur „versuchsweise“, und danach nur noch bis 1894 in einer „Damenklasse“.

Frauen, die malen lernen wollten, fuhren deshalb jahrzehntelang nach Paris, das damals ohnehin die Kunsthauptstadt Europas und vergleichsweise liberal war. Aber selbst dort wurde ihnen das Aktmalen, als dessen Voraussetzung auch anatomische Kenntnisse nötig waren, schon von dieser Basis her offiziell nicht erlaubt. Dabei spielten vordergründig moralische Bedenken der männlichen Kunstlehrer eine Rolle als auch hintergründig die Sorge der Kollegen, ihnen könnte durch gut ausgebildete Kolleginnen eine Konkurrenz für ihren Brotberuf erwachsen. Denn auch zu dieser Zeit spielten Portraits und Gemälde von Einzelpersonen oder ganzer Familien oder Historienbilder wie in den Jahrhunderten vor Erfindung der Fotografie noch eine zentrale Rolle und waren dementsprechend die Haupterwerbsquelle für die Maler. Die Ausstellung zeigt, wie die jungen Künstlerinnen sich dem erfolgreich widersetzten und als Ärzte verkleidet in die Anatomie einschlichen oder in gemeinsame private Ateliers Aktmodelle einluden.  In Paris entstanden dabei um die Malerinnen und Kunstlehrerinnen Ottilie W. Roederstein, Louise Breslau und die aus Hanau stammende Marie Bertuch Netzwerke gleichgesinnter Kolleginnen und Schülerinnen. Roederstein konnte später an der Städelschule ein eigenes Atelier aufmachen, ebenso Eugenie Bandell, die ihre künstlerische Ausbildung an der Hanauer Zeichenakademie bei Georg Cornicelius begonnen hatte. Von ihr ist neben anderen ein expressives Wilhelmsbad-Bild in der Ausstellung zu bewundern – auch dies einer der heimatlichen Bezugspunkte für die Hanauer Besuchergruppe.

Berthold Meyer